Amtspflichtwidrig falsch bewertete juristische Klausuren begründen keinen Schadensersatzanspruch des betroffenen Studenten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Klausuren bei der Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe besser hätten bewertet werden müssen. Das hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.12.2017 entschieden damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 30.06.2016 (11 O 505/13 LG Münster) bestätigt.

Der heute 35 Jahre alte Kläger aus Köln verlangt vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz aufgrund eines Bescheides des Justizprüfungsamtes beim Oberlandesgericht Hamm vom 07.09.2007, mit welchem seine staatliche Pflichtfachprüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen) aufgrund der Bewertung von vier Aufsichtsarbeiten mit „mangelhaft“ für nicht bestanden erklärt wurde. Die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides stellte das Oberverwaltungsgericht Münster mit Urteil vom 18.04.2012 (Az. 14 A 2687/09) fest und beanstandete die bei den beiden Klausuren im öffentlichen Recht angewendeten Prüfungsmaßstäbe als rechtsfehlerhaft.

Der Bescheid war zu der staatlichen Pflichtfachprüfung ergangen, zu der sich der Kläger im achten Fachsemester seines Studiums der Rechtswissenschaften im März 2007 unter Inanspruchnahme der Freiversuchsregelung angemeldet hatte. Zwischenzeitlich, im Jahre 2011, hat der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung bestanden und ist jetzt als Rechtsanwalt tätig. Aufgrund des rechtswidrigen Prüfungsbescheides aus dem Jahre 2007 hat der Kläger vom beklagten Land 105.000 Euro brutto Verdienstausfall und den Ersatz weiterer 1.645 Euro Studiengebühren verlangt.

Die Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Amtshaftungsanspruches seien nicht erfüllt, so der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm.

Dem beklagten Land falle zwar eine schuldhafte Amtspflichtverletzung zur Last, weil bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers fehlerhafte Bewertungsmaßstäbe angelegt worden seien somit gegen das Gebot zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verstoßen worden sei. Die Amtspflichtverletzungen seien auch schuldhaft geschehen. Insoweit müsse sich das Land das fahrlässige Verschulden der zur Bewertung herangezogenen Prüfer zurechnen lassen.

Jedoch könne nicht festgestellt werden, dass die fehlerhafte Bewertung der beiden Klausuren den vom Kläger geltend gemachten Schaden verursacht habe. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass sich bei einem pflichtgemäßen Handeln auf Seiten der Prüfer und des Justizprüfungsamtes die Dinge anders als bei dem tatsächlichen Verlauf entwickelt hätten und sich seine Vermögenslage dadurch günstiger darstellen würde.

Ungeachtet der Bewertungsfehler bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren stehe nämlich nicht fest, dass diese bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe besser und damit mindestens mit „ausreichend“ (4 Punkten) hätten bewertet werden müssen.

Die Bewertung einer Prüfungsleistung liege im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Prüfer, diesen bleibe regelmäßig ein Beurteilungsspielraum bei der Notenvergabe. Nach dem im vorliegenden Prozess zu den infrage stehenden Klausuren eingeholten Sachverständigengutachten habe die Klausurbearbeitung des Klägers an gravierenden Mängeln gelitten. Diese hätte es gerechtfertigt, eine der Klausuren auch bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe mit „mangelhaft“ (2 Punkten) zu bewerten. Bei der weiteren Klausur sei neben einer Bewertung mit „ausreichend“ (4 Punkten) auch eine Bewertung mit „mangelhaft“ (3 Punkten) vertretbar und zulässig gewesen.

Bei dieser Sachlage besteht die vom Kläger nicht auszuräumende Möglichkeit, dass auch bei sachgerechter Ermessensausübung die Gesamtnote seiner Prüfungsleistung nicht angehoben und somit seine Prüfungsleistung gleichlautend beschieden worden wäre. Weil somit nicht ausgeschlossen werden könne, dass dasselbe Prüfungsergebnis auch bei fehlerfreier Ermessensausübung erzielt worden wäre, entfalle ein Schadensersatzanspruch.

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