(Kiel)  Für den Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 wird der Regelsatz der Mehrwertsteuer von bislang 19 % auf 16 % gesenkt. Entscheidungserheblich für die korrekte Zuordnung des jeweiligen Steuersatzes ist der Zeitpunkt der Ausführung der jeweiligen Leistung.

Mithin, so betont die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, ist weder das Datum der Rechnungstellung, noch dasjenige der Zahlung von Relevanz für die Anwendung des 19 %-igen oder des 16 %-igen Steuersatzes.

In laufenden Bauvorhaben ist hinsichtlich der Vertragsart einerseits sowie innerhalb von Werkverträgen zum Zeitpunkt und Umfang der Leistungserbringung andererseits zu differenzieren.

Bei Warenlieferungen kommt es grundsätzlich auf den Abschluss der Lieferungsvorganges durch Erhalt der Warenlieferung an .

  • Bei sonstigen Leistungen, so u.a. bei Dienstleistungen, kommt es auf den Zeitpunkt der Vollendung der Leistung an. Problematisch kann sich dies bei unterschiedlichen Teilleistungen darstellen. Unter Umständen kann eine rückwirkende Aufteilung einer Leistung in mehrere Teilleistungen in Betracht kommen. Eine solche Vereinbarung hätte allerdings bereits vor dem 01.07.2020 getroffen werden müssen, um von dem Finanzamt anerkannt zu werden.
  • In der Baurechtspraxis tritt häufig das Problem auf, dass die einzelnen Teilleistungen nicht scharf genug voneinander abgegrenzt sind.
    • Für den Fall, der Abnahme einer Bauleistung im Zeitraum zwischen dem 01.07.2020 bis 31.12.2020 kann man von einem einheitlichen Steuersatz von 16 % ausgehen, sofern es an einer Vereinbarung von Teilleistungen fehlt, es sich also um eine einheitliche Leistung in diesem Zeitraum handelt.
    • Im Hinblick auf Anzahlungen und Vorauszahlungen sind keine Besonderheiten zu beachten. Stets ist das Datum der Leistungserbringung von Relevanz. Sofern die Leistung erst ab dem 01.07.2020 zu erbringen ist, könnte allerdings eine Vorauszahlungsanforderung, die bereits vor dem 01.07.2020 angefordert worden ist, unschädlich sein, da es auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung ankommt.
    • Anzahlungen müssen mit dem derzeit gültigen Steuersatz abgerechnet werden. Der tatsächliche Umsatz, der auf die jeweilige Teilleistung entfällt, kann allerdings erst mit der Schlussrechnung bzw. Teilschlussrechnung bestimmt werden. In diesem Fall muss der Steuersatz, der im Zeitpunkt der Leistung (Abnahme) galt/gilt, zur Anwendung gelangen. Für das leistende Bauunternehmen bedeutet dies, dass es die mit den Abschlagsrechnungen zu viel oder zu wenig bezahlte Umsatzsteuer alsdann zu korrigieren hat und ggf. entsprechend die Umsatzsteuer an das FA nachentrichten muss bzw. rückerstattet erhält. Diese Grundsätze gelten selbstverständlich im umgekehrten Fall auch für den Bauherrn.
    • Gerade für Abnahmen im 2. Halbjahr muss – über das übliche Maß hinaus – auf eine akribische Dokumentation geachtet werden. Im Rahmen von Teilschlussrechnungen ist daher unbedingt auf die genaue Definition der Teilleistung und deren Abnahme zu achten.
    • Diffiziler gestaltet sich die Rechtslage für Architekten und Ingenieure, sofern – trotz grundsätzlich trennbarer Leistungen -, das Leistungsbild der HOAI vereinbart worden ist. Die Leistungen nach den Leistungsbildern der HOAI stellen grundsätzlich eine einheitliche Leistung dar. Die Möglichkeit der Aufgliederung der Leistungsbilder führt nicht zu Teilleistungen im umsatzsteuerlichen Sinne (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a) S. 3 UStG. Die Annahme von Teilleistungen kann aber nur dann erfolgen, sofern im Rahmen des Vertrags zusätzliche Vereinbarungen gerade im Hinblick auf die gesonderte Ausführung einzelner Leistungsphasen getroffen worden sind, die auch separat als Teilleistungen zu vergüten sind.

Gerade im Baubereich, in dem es um erhebliche Auftragsvolumina geht, kann der Unterschied bei der Anwendung des Steuersatzes ohne Weiteres mehrere Tausend Euro bedingen. Man wird im Rahmen der Vertragsabwicklung daher derzeit in besonderem Maße darauf zu achten haben, ob sich dem Vertrag folgend, Möglichkeiten der Leistungsbestimmung ergeben können, die die Anwendung des reduzierten Steuersatzes zur Konsequenz haben könnten. Man wird ein besonderes Augenmerk auf die Abnahme und die Dokumentation der abgenommenen Leistung, gleich ob Teil- oder Gesamtleistung legen müssen.

Bei Gestaltungen, die im Zusammenhang mit der Aufteilung von Leistungen sowie Anforderung und Abrechnung von Teilleistungen in Zusammenhang stehen ist unbedingt eine vorherige Rücksprache mit dem Steuerberater erforderlich, der die konkreten Vertragsgestaltungen und den unternehmerischen Hintergrund kennt und hierzu individuell beraten kann, betont Fachanwältin Filiz.

Gerade kleinere und mittlere Unternehmen werden sich möglicherweise im Rahmen der Rechnungstellung nur schwer auf die kurzfristigen Änderungen einstellen. Daher wird man als Unternehmer nicht nur bei der Rechnungstellung, sondern vielmehr auch bei der Prüfung von Eingangsrechnungen ein besonderes Augenmerk darauf zu richten haben, wann die konkret abgerechnete Leistung erbracht worden ist, um wirtschaftliche Verluste zu vermeiden. Insoweit ist es gerade im Hinblick auf die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges im Hinblick auf die korrekte Zuordnung wichtig zu erkennen, ob die Eingangsrechnung den zutreffenden Steuersatz enthält oder ob diese Rechnung zwecks Korrektur an den Aussteller zurückübermittelt werden muss.

Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de – verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Helene – Monika Filiz
Rechtsanwältin / Fachanwältin für Familienrecht / Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V.

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