(Kiel)  Mit dem Inhalt und den Grenzen der Planungs- und Bauüberwachungsleistungen hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig auseinandergesetzt. 

Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht  Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das Urteil des OLG Schleswig vom 25.03.2020 (12 U 162/19).

Das Planungs- und Überwachungsunternehmen schuldet lediglich eine mangelfreie Planungs- und Überwachungsleistung, nicht jedoch die handwerkliche Ausführung an der Baustelle. Diesem Rechtsgedanken folgend, schuldet ein Planungs- und Überwachungsdienstleister die mangelfreie Bauüberwachung, nicht aber ein mangelfreies Bauwerk.

Bislang entsprach es der Rechtsprechung, dass Mängel, die als Ausführungsmängel auf der Baustelle angefallen sind, gleichsam auch eine mangelhafte Bau- bzw. örtliche Bauüberwachung bedeuten. Diese Annahme hat regelmäßig zu Auseinandersetzungen über das Verschulden von Ausführungsmängeln geführt.

Meistens standen folgende Fragestellungen im Focus:

  • Ist eine mangelfreie Bauausführung durch ordnungsgemäße Bauüberwachung/örtliche Bauüberwachung geschuldet?
  • Weisen Ausführungsmängel darauf hin, dass eine unsachgemäße Bauüberwachung vorliegt und daher ein Honorareinbehalt gerechtfertigt wäre?
  • Gibt es einen Schadensersatzanspruch für Ausführungsmängel seitens des Planungsbüros, sofern das ausführende Unternehmen insolvent geworden ist?
  • Stellen gerügte Ausführungsmängel gleichsam einen Beweis für eine mangelhafte Bauüberwachung dar?

Die vorstehenden Fragen sind nunmehr eindeutig zu verneinen. Der jüngsten Rechtsprechung folgend ist zukünftig zwischen Bauüberwachungs- und Planungsleistungen des Bauunternehmens zu unterscheiden.

In den nachstehenden Konstellationen ist eine Entlastung des Bauüberwachers bzgl. der „Mangelfreiheit des Bauwerks“ zukünftig zu deren Gunsten zu berücksichtigen:

  • Kalkulatorische Berücksichtigung des hinterlegten Honorars für die Leistungsphase 8

Das kalkulatorisch zu berücksichtigende Budget für die Bauüberwachung führt grundsätzlich nicht zu einer Einschränkung der werkvertraglichen Pflicht zur Bauüberwachung. Die zutreffende Kalkulation des Honorars für die Bauüberwachung war und bleibt mithin eine organisatorische Herausforderung für die Bauüberwachung.

    • Das Honorar für die Bauüberwachung ist unter Zugrundelegung der Prämisse, dass auf der Baustelle Qualität und Einhaltung der einzelnen Bauabläufe überwacht werden können, zu ermitteln;
    • Planungsbüros, die ihrerseits auch Bauüberwachungsleistungen anbieten, müssen in einzelfallbezogenen Abwägungskriterien entscheiden, welche Arbeiten eine intensivere Überwachung erforderlich machen.
  • Die Haftung des Planungs- und/oder Überwachungsbüros bezieht sich werkvertraglich (lediglich) auf Planungs- und/oder Überwachungsleistungen, die für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks erforderlich sind, nicht aber die Mangelfreiheit des Bauwerks und/oder der Bauarbeiten an sich. Dieser Rechtsprechung folgend müssen lediglich die Planungs- und/oder Überwachungsleistungen ohne werkvertragliche Mängel sein.

Die Bedeutung dieser Differenzierung ist in der praktischen Rechtsanwendung evident. Denn der Bauunternehmer haftet im Rahmen seiner eigenen werkvertraglichen Pflichten für die Mängelfreiheit seiner Werkleistung.  Die Schlussfolgerung, dass eine mangelhafte Ausführung der Werkleistung gleichzeitig eine mangelfreie Überwachungsleistung darstellt, ist nicht mehr möglich.

Auch nach bisheriger Rechtslage musste der Bauüberwacher nicht auf handwerkliche Selbstverständlichkeiten hinweisen. Mithin ist nicht automatisch ein Bauüberwachungsmangel gegeben, sofern handwerkliche Selbstverständlichkeiten mangelhaft ausgeführt worden sind und sich dies in einem mangelhaften Bauwerk dokumentiert (z.B. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.11.2019, Az. 20 O 355/15, Abruf-NR. 219491).

Allerdings muss der Bauüberwacher auch bei handwerklichen Selbstverständlichkeiten eine Einweisung vornehmen, die Durchführung von Stichproben veranlassen und eine Endkontrolle tätigen.  Sofern es in der Fachwelt keine einheitliche Auffassung gibt, wie die „handwerkliche Selbstverständlichkeit“ zu verstehen ist gilt der Grundsatz, dass bei komplexen Bauleistungen einerseits sowie bei einem hohen Mangelrisiko andererseits grundsätzlich nicht von einer handwerklichen Selbstverständlichkeit auszugehen ist. Insoweit sind beispielsweise Maler- und/oder Putzarbeiten häufiger als „handwerkliche Selbstverständlichkeit“ zu kategorisieren als beispielsweise komplexe Tiefgründungen, Abdichtungsarbeiten an Kelleraußenwänden, konstruktiver Stahlhochbau oder Warmfassaden. Letztere stellen keine „handwerkliche Selbstverständlichkeit“ dar.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Bauüberwacher in der Lph8 kein mangelfreies Bauwerk, sondern eine mangelfreie Bauüberwachung schuldet. Dies kann zu einer erheblichen Entlastung des Dienstleisters, der lediglich die Bauüberwachung schuldet, führen. Wichtig ist die Differenzierung hinsichtlich des jeweiligen Werkerfolges der Bauleistung einerseits sowie der Planungs- und/oder Überwachungsleistung andererseits.  Der Bauüberwacher kann nicht zu jedem Zeitpunkt an jeden Ort der Baustelle eine lückenlose Bauüberwachung tätigen. Mit der vorliegenden Entscheidung ist die frühere Annahme, dass Planungsbüros die mangelfreie Errichtung eines Bauwerkes schulden, nicht mehr haltbar.

Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de  – verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Helene – Monika Filiz
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Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V.
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